Irgendwo muss die Mentalitätsgrenze gewesen sein. Ich hatte sie überschritten, ohne es zu merken.
Wirte, Bedienungen, Hotelangestellte, Brotverkäufer, Menschen, mit denen ich auf der Straße quatschte, waren auf einmal aufgeschlossen, gesellig und feierlaunig. Ich erfuhr kleine Dramen über verlorene Eheringe und späte Autofahrten, die an Laternenpfählen endeten. Nichts Bedeutendes. Aber irgendwo auf meiner Wanderung hatte es plötzlich einen Offenheits-Sprung gegeben.
Erst beim Verlassen Triers dämmerte es mir: Ich hatte die Bitburger Berge verlassen. Ich war vom herben Pilsland ins liebliche Rieslingtal hinabgestiegen.
Die Alkoholart hatte ich gewechselt und damit die Stimmung!
Mosel here I am!
Okay. Es war trüb, die Mosel dreckigbraun aber mit geschwollener und breiter Brust.
Es regnete, als ich um 10 Uhr Trier verließ.
Just zu dieser Stunde öffnete das Marx-Geburtshaus-Museum und draußen standen bereits Gruppen von Chinesen, denen es eine Pflicht schien, in ihren 10-Days-Europe-Urlauben den eigentlichen Gründer ihres kommunistischkapitalistischichweißnichtwas Staates zu ehren.
(Was für ein komplizierter Satz – aber so sind Chinesen!)
Ich hatte beschlossen, das Scheißwetter zu ignorieren und marschierte beschwingt die Mosel entlang. Mein Ziel: das Weindorf Nittel. 26 km entfernt.
Trier boomt seit ein paar Jahren: Chinesen, Niederländer, Luxemburger sowieso, Belgier und auch noch ich waren übers Pfingstwochenende in die Stadt eingefallen. Aber noch mehr als Touristen gab es Schwäne.
Ab dem Stadtrand nistete alle paar hundert Meter ein Schwanenpaar direkt am Ufer-Fahrradweg der Mosel.
Nicht mal die Tiere sind im Rieslingland scheu!
In Wasserbillig wechselte ich von Deutschland nach Luxemburg zurück. Die Mosel war von nun an die gemeinsame Grenze.
Eigentlich müsste das luxemburgische Dorf nicht Wasserbillig, sondern Benzinbillig heißen. Selten habe ich so viel Tanktourismus gesehen. Diesel und Benzin bis zu 30 Cent billiger als in Deutschland. Auf einigen Hundert Metern zählte ich beinahe ein Dutzend Tankstellen.
Irgendwann wieder nach Deutschland gehüpft (gebrückt). Zuvor hatte ich noch schell einen Espresso in einem luxemburgischen Brückencafé getrunken und einige Worte mit dem Wirt gewechselt.
Die Grenze existiert eigentlich nicht. Weder sprachlich noch kulturell.
Grenzen sind etwas für Nostalgiker.
Ich durchwanderte die ersten Weinberge. Herrliche Landschaft!
Die Mosel drehte vergnügt eine Schleife und wies die Sonne an, mein Tagesziel lieblich auszuleuchten: das Weindorf Nittel.
(Links am Bildrand!)
Ich quartierte mich im Weinbetrieb Apel ein. Die meisten Winzer im Ort buhlen mit Direktverkauf, Pension und einer Besenwirtschaft um Kunden.
Welch ein Glück, nun alles an einem Ort zu haben. Alles inklusive!
Die Kommunikations-Stube bereits um 18 Uhr rappelvoll.
Durst:
1 Glas Elbling (Kabinett trocken). Seltene weiße Rebsorte: 3,80 Euro (0,2l). Guter Schoppenwein.
1 Glas Auxerrois (trocken). Auch eher seltene weiße Sorte: 3,80 Euro (0,2l). Spritzig, dezente Säure, angenehm.
1 Glas Blauer Burgunder (Barrique). 5,50 Euro (0,2l). Roch intensiv, der erste Schluck mundete gut, dann aber flachte der Wein ab und wurde breit. Keine Finesse.
Hunger: Frischer Spargel mit Sauce Hollandaise, pikantem Winzersteak auf Rebholz gegrillt und Petersilienkartoffeln. (17,80 Euro.) Sehr würziges Fleisch, wenn auch zu lange gegrillt.
Unterkunft: 49 Euro (mit Frühstück).