Der Tag fing mit einer Verrücktheit an. Kaum losgelaufen, dachte ich für einen Moment, eine fliegende Maus zu sehen.
Dabei war es nur ein kleiner Vogel mit einem verstümmelten Schwanz. Er konnte nicht mehr richtig navigieren und stümperte durch die Luft.
Ich nahm das kurze Gaukelspiel meines Gehirns als vorsichtiges Zeichen, dass ich langsam mit meiner Grenzwanderung zu Ende kommen sollte. Diese Schlussetappe dauerte nun fast schon 5 Wochen. Nicht nur für die Füße anstrengend.
Gottseidank war das nächste Tier, das mein Hirn als Ziege identifizierte, tatsächlich eine Ziege.
Sie meckerte mich an. Eindeutig!

Kein Frechdachs – Frechziege!
Extra früh aufgestanden. Schnell gefrühstückt. Und doch wieder lange gebraucht, bis der Rucksack gepackt und ich vollständig angeschirrt war. Halb 9 losgelaufen.
Ich hatte vor, nach Deutschland zurück zu kehren. Nicht klar war mir, dass es die längste Strecke dieser Etappe werden würde. 43 Kilometer bis nach Ramsau im Berchtesgadener Land.
Der Herbst war noch nicht alt, aber er fühlte sich wie Ende November an. Grau, kalt, neblig.

Eigentlich will ich grad raus!
Erst kurz eine überhaupt nicht befahrene Landstraße gegangen. Anschließend am Ufer des Loferbaches entlang.
Ziemlich genau auf der Grenzlinie zwischen Tirol und Salzburger Land stand ein Denkmal für die Tiroler Freiheitskämpfer.
1809 dem Kaiser gewidmet.

Tiroler Stolz
Geehrt wurden die „Hervorragenden Anführer“ und „Hervorragenden Landesvertheidiger“, die im Kampf gegen Napoleons Truppen und bayerische Besatzer ihr Leben gelassen hatten.

Tiroler Stolz 2
Ich ging nur auf einem Wanderweg und wurde doch bombardiert mit tirolerischem Freiheitspathos.
Stellenweise klang es nationalistisch.

Tiroler Stolz 3 (Langsam wird’s langweilig. )
Wurden Tiroler mal ausnahmsweise nicht vom Feind gemeuchelt, dann schlug die Natur unbarmherzig zu.

It never stops
„Christliches Andenken an Simon Biechl,
geb. 1808. …
Er wurde (1872) bei Holzarbeiten, von einem Stein erschlagen.
Das ewige Licht leuchte ihm!“
Kann mir jemand erklären, wer diesem unglücklichen Mann so lange öffentlich das Andenken hält? Und was sich dahinter verbirgt?
Nach 2 1/2 Stunden schnell einen Braunen in Lofer getrunken. Netter Ort.

Farbe der Reinheit
Ab hier folgte ich der Saalach. Ein ausgesprochen schöner Weg begleitete den grün sprudelnden Bergfluss bis nach Deutschland.

Simply red

Simply green
Der Grenzübertritt war nicht markiert. Tirol und Bayern verschmolzen ineinander.

Tirol=Bayen
Wenn es überhaupt eine Abwechslung unterwegs gab, dann mal ein kleiner Wasserfall.

Klein=Fein
Oder eine kaputte Wanderbrücke, die mich zwang, durch den Bach zu waten, der aber ziemlich seicht war.

Danger!
Unterwegs – ich erinnere nicht mehr genau wo – eine Leberknödel-Suppe bei einem Metzger gegessen.
Ich hatte Energiebedarf. 6 Stunden war ich nun bereits „on the run“. Und noch immer hatte sich nicht mein sonstiges „Wandergefühl“ eingestellt. Eine Art kreative Leere. Ein Nichts Denken, Vieles Sehen, sich von Einfällen anfallen lassen.
Ich war unruhig, fast nervös. Wie in den letzten Tagen häufiger schon, hatte ich keine Lust mich mit Leuten zu unterhalten. Ich war einsiedlerisch geworden.
Ziemlich genau an der Schneizelreuther Kirche beschloss ich, nicht den kurzen Weg nach Bad Reichenhall zu laufen, sondern den langen Aufstieg nach Ramsau.

Kirche als Wegscheide

Top
Ein Pfad führte mich an Heuschobern vorbei, an denen Schilder vor „Bissigen Kreuzottern“ warnten.

Hier ottert es!
Ich fragte mich, ob die Bauern nur verhindern wollten, dass irgendwer in ihrem Stroh nächtigen wollte?
Wunderschön der Uferweg entlang der Saalach. Aber leider nur kurz.

Que belleza!
Danach musste ich auf die Deutsche Alpenstraße wechseln. Und es ging für zwei Stunden steil, steil, steil nach oben.
Ich wollte durch anstrengendes Laufen meine anstrengenden Gedanken befrieden. Es gelang vollständig.
Der Anstieg war so kräftezehrend, dass ich gar nichts mehr dachte. Ich lauschte nur noch meinem eigenen Schnaufen.
Die Täler immer schluchtartiger, der Abend immer dunkler, mein Wunsch nach einem Bier immer überwältigender.

Bick nicht nach unten!
Ziemlich genau um 19 Uhr in der Ortsmitte von Ramsau einen Gasthof gefunden. Nach 43 Kilometern und 10 1/2 Stunden Marschieren im Schweinsgalopp total ausgepumpt.
Riesendurst: Helles. Hofbrauhaus Berchtesgaden. (Seit 1645!!). Ausgesprochen schmackhaftes Bier.
Hunger: Garniertes Sauerkraut. Mit Wellfleisch, Hausgeräuchertem, Würstl und Knödel. 8,90 Euro. Absolut klasse zubereitet!
Unterkunft: 55 Euro (mit Frühstück).