Ein schöner Stadtpark schmückt Vreden. Macht den Ort einladend, der es eigentlich aber nicht ist.
Liebloser Ortskern!
Sei’s drum, es gibt ja den Park – mit Blick auf die Kirche.
Oder mit Blick auf einen alten Münsterländer Bauernhof.
Oder mit Blick auf einen eigenwilligen Hubschrauber-Notlandeplatz über dem Bächlein Brekel, das Vredel umfließt.
Die SOLIDE WIRKLICHKEIT DES BEDINGTEN haben die beiden Bildhauer ihr Helikopter-Denkmal betitelt.
Darüber grübelnd, was der Satz bedeuten könnte (ich hatte keinen Erfolg!), verließ ich Vreden gegen 9 Uhr.
Das Ziel: Isselburg. 39 km entfernt.
Der Weg führte die meiste Zeit durch niederländisches Gebiet, nicht immer grenznah.
Als ich letzten Sommer an der Ostgrenze entlang wanderte, konnte ich das deutliche Wohlstandsgefälle zwischen Deutschland und seinen Nachbarn (Tschechien oder Polen) überhaupt nicht übersehen.
An dieser Westgrenze gibt es das nicht. Oder höchstens ein ganz klein wenig. Auf der niederländischen Seite ist alles noch eine Spur sauberer, aufgeräumter, geordneter, der Vorgarten gepflegter, die Fassaden immer wie frisch abgeschrubbt. Fast puppenstubenhaft.
Ein paar Kilometer hinter der Grenze ein kleines und äußerst nettes Städtchen: Winterswijk.
In Vorbereitung auf den Krönungstag: das ganze Zentrum geschmückt.
In zwei Tagen würde Königin Beatrix ihre Krone an ihren Sohn Willem Alexander weitergeben.
Um auf den Thron zu steigen, musste der immerhin nicht seine Mutter köpfen. (Wie es vielleicht der englische Prinz erwägen könnte.)
Niederländer scheinen Sonntags-Frühmuffel zu sein.
Um halb zwölf gehörte ich zu den ersten Café-Gästen am Kirchplatz.
Blumentöpfe auf Café-Tischen ist Standard hier. In der Lebenddekoration hatte sich ein weiteres holländisches Traumpärchen versteckt: Arjen und Marike.
Ich wollte mich mit ihnen unterhalten, sie über die Rolle des Königtums in den liberalen Niederlanden ausfragen oder was die Bürger davon halten, dass sich das Hochzeitspaar das Fest beinahe 20 Millionen Euro kosten lassen würde.
Arjen und Marike aber blieben stumm.
(Wahrscheinlich hätten sie mir sonst das gleiche gesagt, wie eine Holländerin am gestrigen Tag: „Eine bessere weltweite Werbekampagne für das Land gibt es nicht. So gesehen ist das noch billig.“)
Ich hatte Redebedarf und ärgerte mich über das schweigsame Pärchen. Kurzerhand packte ich es in meinen Rucksack und nahm es den weiteren Weg mit.
Am Stadtrand ein imposanter ehemaliger Wasserturm.
Gleich daneben ein jüdischer Friedhof. Nur 10% der ehemals großen jüdischen Gemeinde waren den Nazipogromen entkommen. Wenige Überlebende waren nach Kriegsende wieder in ihre alte Heimat zurückgekehrt.
Drei vier Stunden marschierte ich auf einem Radweg, der parallel zu einer Hauptverkehrsstraße verlief. Ich bedauerte, dass es keinen Wanderweg entlang der deutsch-niederländischen Grenze gibt. Die Landschaft scheint dafür nicht attraktiv genug.
Kaum Abwechslung, keine unberührte Natur, nur Kuhwiesen, Felder und Bauernhöfe, die nie weiter als ein paar Hundert Meter auseinander liegen.
Und alle zwei drei Stunden das nächste Kleinstädtchen.
Die allerdings sind attraktiv.
Immer herausgeputzt.
Aalten.
Ich hatte mir eine Blase gelaufen und die letzten Kilometer waren mühsam. Arjen und Marike dachten noch immer nicht daran, sich auf eine Konversation mit mir einzulassen. Ich wurde langsam muffelig.
(Hörte ich sie „Mof“ grummeln?)
In Dinxperlo querte ich wieder nach Deutschland. Über einen Kilometer verläuft die Grenze dort mitten durch eine belebte Straße. Der Westen (mit den Industrieanlagen) gehört zum Königreich, der Osten (mit den Wohnhäusern) zur Republik. Kurios.
Noch stand die Sonne am Himmel über Isselburg, als ich um 19 Uhr endlich die Gemeinde betrat.
Das erste Gebäude, das mir auffiel, war eine Moschee! Im Industriegebiet.
Das Gotteshaus durch einen dicken Drahtzaun geschützt. (Vor wem?)
Später sollte mir eine Wirtshaus-Bedienung erzählen, dass die Moschee von einem wohlhabenden marokkanischen Geschäftsmann gestiftet wurde, der bereits seit 40 Jahren in der Gegend lebte. Randale habe es wegen der Moschee noch nicht gegeben, aber viele Einwände und Vorbehalte von Seiten der Bevölkerung.
Es stünde ja bereits eine große Moschee nicht weit weg, in Bocholt. In Isselburg gäbe es – so die Dame – ein beachtliches Problem mit türkischstämmigen Harz-IV Familien.
Im Stadtzentrum dann ein weiteres Gotteshaus, diesmal ohne Zaun.
(Aber mit einem Wachturm.)
Ziemlich entkräftet nach 10 Stunden Wanderung und 39 Kilometern ließ ich mich im Hotelrestaurant stante pede an einem Tisch nieder.
Hunger.
Vorspeise: Lauwarmer Ziegenkäse mit Pesto; Blattsalaten und Früchten. (8,90 Euro). Ausgezeichnet gewürzt.
Auch Arjen und Marike langten kräftig zu, auch wenn sie immer noch kein Wort an mich verloren.
Hauptspeise: Gebratener Wels mit Kartoffelgratin, mediterranem Gemüse und Pesto. Der Koch muss einen ziemlich schlechten Tag erwischt haben. Es schmeckte so wie es aussah: verkocht und ledern zugleich. Schade.
Unterkunft: 57 Euro (mit Frühstück).