Die paar Tropfen, die morgens vom Himmel fielen, konnte ich fast zählen. Also ließ ich meine Regenkleidung im Rucksack und zog um halb 10 los. Mit schwerem Kopf (zu viel Moselwein) und heute auch zu schwerem Gepäck.
Mein Ziel: Schengen im Dreiländereck. 25 km entfernt.
Ein unspektakulärer Tag.
Mosel, Weinberge und grauer Himmel.
Keine Sonne, die der Landschaft Farbe hätte geben können.
Selten nahm ich die Kamera aus der Tasche.
Ich hatte es nicht eilig.
Am gegenüberliegenden Ufer ab und zu ein kleines verschlafenes luxemburgisches Winzerdorf.
In Remich wechselte ich ins Nachbarland. Trank einen Espresso im alten Ortskern. Die Bedienung portugiesisch wie in so vielen Gaststätten des Landes.
Weit über 100.000 Portugiesen sollen in Luxemburg leben. Ein Fünftel der Gesamtbevölkerung.
Passierte ich kleine Fabriken, Kiesgruben oder größere Baufirmen, sah ich in den Innenhöfen fast ausschließlich Autos mit deutschen Kennzeichen.
Die Löhne sind in Luxemburg gut ein Drittel höher, die Sozialleistungen und das Arbeitsrecht gut. Das lockt Hunderttausende Deutsche, Franzosen und Belgier als Pendler ins Land.
Der kleine Nachbar gibt Europa Arbeit!
Was für ein selbstbewusstes und erfolgreiches Völkchen, die Luxemburger.
Lëtzebuerger nennen sie sich in ihrem Dialekt.
Gegen 16 Uhr lag Schengen vor mir.
Kaum mehr als dreihundert Seelen bevölkern den Ort.
Dazu ein Schloss, in dem europäische Geschichte geschrieben wurde. Hier wurde einst der Schengener Vertrag unterzeichnet, der es mir auf meiner Grenzwanderung ermöglicht hatte, ohne Pass Ländergrenzen zu wechseln.
Ich verneigte mich dankbar.
Es gab einen alten Turm und eine Kirche.
Und es gab einen zentralen Platz, der sich „Europaplatz“ nannte.
Aber Europas Herz, das hatte ich auf meiner Wanderung gespürt, ist größer als dieser Winzling.
Und es gab eine Brücke, die von Luxemburg nach Deutschland und Frankreich führte.
(Die Brücke im übrigen mächtig befahren. In Schengen hatten immer noch 8 Tankstellen geöffnet, im deutschen Perl jede Menge Supermärkte. Die Deutschen tankten sich die Autobäuche mit billigem Benelux-Öl voll und die Luxemburger stopften sich die Kofferräume mit billiger Lidl, Aldi, Rewe Ware aus. So verdienten die Steuerbehörden beider Länder an den offenen Grenzen!)
Ich war im Dreiländereck gelandet.
735 km lang hatte ich auf dieser Etappe die Niederlande, Belgien und Luxemburg abgewandert.
Benelux lag jetzt hinter mir, ein neues Abenteuer vor mir: Frankreich und das Saarland.
Da in Schengen keine Pension und kein Hotel geöffnet hatte und schon überhaupt kein Restaurant (Dienstag = Ruhetag), wechselte ich nach Perl auf der deutschen Seite.
Auf saarländisch die Speisekarte.
Hunger: Moschterbrod vum klengen Schwein. (Hausgemachter Rollbraten mit Monschauer Senf, Zwiebeln, Bratkartoffeln und Speckwirsing). 15,90 Euro. Ausgezeichnet zubereitet. Sehr gut gewürzt.
Nachspeise: Mirabellensorbet mit lothringischem Mirabellenschnaps (2,50 Euro). Gut.
Durst: 1 Glas Auxerrois (Weingut Bertel). Leicht, süffig. Alltagswein.
Unterkunft: 49 Euro (mit Frühstück).