Glück gehabt gestern! Gelaufen, bis der ganze Körper nicht mehr konnte, und dann diese wunderschöne Unterkunft gefunden. Mit Ausblick zur Maas.
Mit Rücktür zur Burg.
Ein alter Wachturm aus dem 10. Jahrhundert ist der Kern der Anlage.
(Gibt es neben Wachtürmen auch Schlaftürme?)
Im Zweiten Weltkrieg wurde die Anlage zur Ruine geschossen.
Von der Frühstücksterrasse zum Ufer sind es ein paar Stufen.
Kurz nach 9 Uhr aufgebrochen. Mein heutiges Ziel: zurück nach Deutschland, nach Heinsberg.
33 Kilometer Fußweg.
Die Maas wieder mit einer Fähre gequert (1 Euro).
Ich hatte mir nicht vorgestellt, dass dieser niederländische Fluss so pittoresk sein konnte.
Am anderen Ufer umschloss mich die Farbe Weiß.
Kilometerlange Blütenallee.
Nichts machen die Niederländer „klein“. Alles ist „big“!
Gigantische Spargelfelder, nicht enden wollende Obstplantagen, Tulpengewächshäuser, die in den Horizont hineinwachsen, Kuhställe so groß wie Flugzeugterminals, Einkaufszentren mit mehr Fläche als Kleinstädte.
Die Niederlande ist ein Masse-Land.
Small is beautiful, but small is not here.
(Habe z.B. nirgendwo einen kleinen Biohof gesehen.)
Den Menschen, denen ich in den Dörfern begegnete, sah man keine bäuerliche Herkunft an, auch wenn sie in der Landwirtschaft arbeiteten. Das war mir eigentlich in der ganzen Region Limburg aufgefallen. Die Bewohner wirkten eher wie Kaufleute, Angestellte von mittelständischen Unternehmen, Dienstleister, nicht aber wie Ackerer, Landwirte, Knechte. Schwielen an den Händen sah ich keine.
Vielleicht hängt dies auch mit der Größe der Höfe zusammen, die eher wie Industriebetriebe geführt werden.
Eine eingezäunt Mühle aus dem 17.Jahrhundert. Erbaut 1604!
Die Ortsdurchfahrten in den Niederlanden sind oft durch „Drempels“ geschützt.
In deutscher Behördensprache sind das „Bremsschwellen“ oder „Fahrbahnschwellen“.
Die schönste Bezeichnung stammt aus Belize: „sleeping policeman“.
In Frankreich: „dos d’âne“: Eselsrücken.
In Mexiko: „tope“.
In den USA: „Mexican bumps“.
In Peru: „rompe muela“: Backenzahnbrecher.
Im Westfälischen: „Bremshuppel“.
In der Bundeshauptstadt: „Berliner Kissen“.
In manchen Ortschaften fühlte ich mich beobachtet.
Zwischenstation in der Stadt Roermond.
Hier mündet die Rur (Roer) in die Maas. Roermond ist ein Einkaufszentrum mit einem enorm großen Outlet-Center. 2,8 Millionen Besucher kommen jährlich zum Shoppen. Die meisten aus dem nahen Deutschland.
Die Straßen wirken britisch.
Durst: Heineken. Stolzer Preis am Marktplatz: 4,70 Euro.
Habe mir sämtlich erreichbaren Biere beim Nachbarn durch die Kehle laufen lassen: Heineken, Amstel, Grolsch, Brand.
Fast alle schmecken sehr ähnlich. Süffig, leicht konsumierbar. Wenig Nachhall. Kaum eigener Charakter. Auf Massengeschmack getrimmt.
Einzige Ausnahme: Jan Hertog!
Wegheilige und Wegkreuze hätte ich in den eigentlich calvinistischen Niederlanden nicht erwartet.
Aber sie gab es überall, in den Dörfern und besonders auch in den Städten.
(Ich hatte mich mal wieder geirrt. Die Katholiken bilden mittlerweile die größte Religionsgemeinschaft im Land.)
Sint Odilienberg. Eine Abtei (aus dem 11. Jahrhundert !), von der aus die Christianisierung der Niederlande betrieben wurde.
Kurz hinter Posterholt: die Grenze war erreicht.
Antje saß auf einer großen Fritten-Tüte, ziemlich genau auf der Grenzlinie.
Sie sagte, sie käme vom niederländischen Tourismusverband und wolle von mir gerne wissen, wie mir das Land gefallen habe. Jetzt, da ich es verließe.
Ich erzählte Antje, dass ich mich entschieden hätte ihre Landleute wirklich zu mögen!
Ich hätte ausnahmslos nette, aufmerksame, kommunikative und sehr hilfsbereite Menschen erlebt.
Von Vorurteilen und Vorbehalten hätte ich nichts gespürt.
Ob mich denn wirklich gar nichts gestört hätte?
„Doch“, antwortete ich: „Eine Sache gab es! Die Rudelbildung. Wenn du alleine an einem Tisch im Biergarten oder auf einer Restaurant-Terasse sitzt, kann es sehr schnell passieren, dass du ungefragt von einer Herde gut gelaunter und sich laut unterhaltender Menschen umzingelt wirst. Sie nehmen einfach an deinem Tisch Platz. Etwas, was in Deutschland, Spanien oder Frankreich nie geschehen würde.“
Am Anfang hätte ich das rücksichtslos gefunden, mich dann aber gefragt, ob meine Wahrnehmung falsch sei. Vielleicht ist das einfach nur „unkompliziert“.
Antje lachte.
„Ich finde Euch cool!“ schmeichelte ich ihr und verabschiedete mich.
Zwei Stunden fehlten noch bis Heinsberg.
Meine Fußsohlen brannten und ich hätte Lust gehabt, meine Füße in einem der vielen Baggerseen abzukühlen.
Der Maianfang fühlte sich bereits wie Sommer an.
Ankunft nach 9 1/2 Stunden. Erschöpft.
Die Auswahl der Restaurants in Heinsberg schwankt zwischen türkisch, griechisch, italienisch und italienisch griechisch, türkisch.
Ich wählte griechisch.
Hunger: Gegrillter Schafskäse (in Flüssigform). Pikant gewürzt. Gut.
Dazu etliche Biere (Veltins), um mich herunter zu kühlen.
Unterkunft: 47 Euro.