Die Niederländer waren hier: haben Vorgartenkultur, Deichbaukunst und ihre Holländer-Mühlen hinterlassen.
„Falsch“ knarzte Meike und erschreckte mich mit ihrer Gießkannenstimme. Fast schien es, als hätte sie meine Gedanken gelesen.
„Die Friesen waren hier. Schon immer!
Du gehst doch Richtung Holland. Nimm mich mit!“
Meike fühlte sich den Ost- und nicht den Nordfriesen zugehörig. Sie hatte das Leben als Schaustellerpuppe neben der Mühle in Süderhafen satt und wollte – nach jahrzehntelangem Posieren für Touristen – zurück zu ihrer Sippe.
Ich erklärte ihr, dass es noch Wochen dauern würde, bis ich die niederländische Grenze erreichen würde. Egal, sie wollte mit. Also packte ich sie in meinen Rucksack.
Mein heutiges Tagesziel war Husum auf der gegenüberliegenden Seite der (Halb?/Ganz?) Insel Nordstrand.
24 km entfernt.
Als ich um 9 Uhr aufbrach, stand die Sonne bereits satt überm platten Horizont. (Und das, obwohl der Rest Deutschlands Ende Oktober bereits unter eine dicke Schneedecke gekrochen war.)
Ich lief, eigentlich wie immer, auf dem Deich. Und eigentlich wie immer war alles grün und voller Schafe.
Ein breiter Damm verbindet die Insel mit dem Festland. Beides platt wie Flunder.
Nur Kirchtürme ragen höher als die Deiche auf. Vorzugsweise inmitten von Friedhöfen. (Wie können Tote sich dagegen wehren, dass ihnen immer sonntags eine miserable Predigt gehalten wird?)
Diese ausgehauchte Seele hatte sich auf das Nachbargelände davongeschlichen.
(Bald würden die Toten eine Initiative gründen: Stoppt die Sonntagspredigt!
Auch unter Nichtmehrlebendigen gibt es Wutbürger – Wuttote!)
Über Husum braute sich Unheilvolles zusammen. Kälte, Regen, Sturm.
Der Deich vor der Stadt menschen- und schafleer.
Mit einem Platzregen zog ich am späten Sonntag-Nachmittag in die Theodor Storm Stadt Husum ein.
Der Hafen ist der eigentliche Marktplatz. Das Herz-Zentrum. Hier pulst es. Kneipen, Geschäfte, Arbeit, Kommen und Gehen.
Bei starkem Regen aber Herzrhythmus-Störungen.
Ich war fasziniert. Nirgendwo sonst habe ich einen Hafen in der Stadtmitte gesehen. Ich wäre gern‘ an einem Werktag hier gewesen.
Husum ist nicht grau – wie der Olle Theodor in einem seiner berühmten Gedichte schrieb.
Selbst im dunklen Herbststurm leuchtet das Städtchen.
Gegen 5 Uhr ein Hotel gefunden. Gleich danach ab in ein Hafenrestaurant.
Durst: Flensburger Pils. Scheint das Monopol in Nordfriesland zu haben.
Hunger: frische Miesmuscheln im Weisweinsud. Gut. 12,90 Euro. Sehr fair.
Meike beschwerte sich, dass ich den ganzen Tag nicht mit ihr gesprochen hätte. Ich entschuldigte mich, auch dafür, nichts bis gar nichts über ihre friesische Kultur zu wissen. Ich versprach Besserung. Noch heute Nacht würde ich Wikipedia konsultieren.
Ich bettete Meike früh und trank noch still und zufrieden mit dem heutigen Tag einen Minibarwein.
Unterkunft: 53 Euro (mit Frühstück).