
As ships go by
Abschied von der Pfalz. Habe sie auf der anderen Seite des Rheins gelassen. Bin jetzt im Badischen gestrandet. Der Unterschied kam mir gewaltig vor. Einmal mit der Fähre den Fluss gequert und Deutschland fühlt sich anders an! Diese Sprache! Dazu der badische Akkusativ. Kann man sich daran gewöhnen?
Ja ich weiss, auch die Vorderpfälzer haben einen eigenartigen Singsang. Aus nordpfälzer Sicht (da, wo ich herkomme) hört sich das sehr nach verweichlichten Südländern an.
Das Badische klingt zwar verwandt, aber doch irgendwie einen Zacken eckiger, kantiger, knarziger, effektiver.
Im Biergarten des ehemaligen Zollhauses an der Anlegestelle der Fähre trank ich in einem Zug eine große Apfelschorle, zahlte und machte mich auf den Weg. Rund 19 km bis Plittersdorf lagen vor mir. 30 Grad schon am Morgen.


Der Rhein glich mehr einem überdimensionierten Kanal als einem Fluss. Tulla, der badische Ingenieur, hat in der Oberrheinischen Tiefebene ganze Arbeit geleistet.
Entlang der Altrheinarme große Kieswerke – auf deutscher und französischer Seite.

Der Kieselsteinschatz
Der Himmel verbarrikadiert.

Kieselsteinübergang
Kilometertafeln takteten meinen Weg. Noch 352 km bis zur Rheinquelle.

Route 352
Der Strom floss schnurstracks, aber meine Route verlief alles andere als geradlinig. Ich musste mehr den verschlungenen Altrheinadern folgen und durchwanderte eine unter der Hitze ächzende Auenlandschaft.

Grad und Krumm
Mückenschwärme vernebelten bisweilen die Sicht.
Ich mutierte zum Zappelphilipp und suchte den offenen Boxkampf mit der Plage.
Wenn ich Ruhe fand, teilte ich sie mit blauen Libellen.

Tulla-Libelle
Warum sinken eigentlich gewässerte Boote nicht?
Werden sie von Blicken gehalten?
Oder nageln sie die Fotografen mit Wasserstiften einfach fest? Fotokulisse für den nächsten Schnappschüssler, der kommt?

Das Gerade wird krumm
Romantisch ist der Rhein auf dieser Strecke wirklich nicht.

Tullas Geraden-Tick
Aber interessant.
Zuschauer über Zuschauer, die es sich auf Kiesinseln, Sandbänken und Uferbefestigungen bequem machten. Und dem Strom der vorbeifahrenden Lastkähne das Geleit gaben.

Fluss fließt, Zeit steht
Immer wieder musste ich die Rheinauen kurz verlassen, um einen Zufluss (diesmal die Murg) zu queren.
Im Dörfchen Steinmauern feierte der Bulldogverein sein Jahresfest. Die Mitglieder nennen sich selbst „Landmaschineninfizierte“ und konservieren altes landwirtschaftliches Gerät.
Und wie beim Keinohrhasenzüchterverein oder sonst einem eingetragenen Club steht vor dem Spaß die Registratur. Wir sind in Deutschland!

Ordnung beim Feiern
Castingshow für alte Trecker, Bulldogs, Zugmaschinen.

Maschinen-Registratur
Das Meiste aus den 50er Jahren.

Maschine und Handarbeit
Good Old Germany. Die Nachkriegs- und Aufbaugeneration feiert sich noch einmal selbst.

The last German Cowboy
Kein Miniaturspielzeugtraktor kommt an das Original ran!

Bulldog für Rechtshänder
Nach 6 Stunden endlich in Plittersdorf angekommen. Ich kannte den Namen bisher nur aus den Verkehrsnachrichten. Etwa wenn Hoch- oder wahlweise Niedrigwasser den Fährbetrieb behindert.

Come together
Ich lernte, dass es Gierseilfähren gibt. Dass „Gier“ nicht immer nur ein sehr menschliches Verlangen beschreibt, sondern auch einen technischen Vorgang!
Plittersdorf lud am Abend zum Dorffest ein. Die lokale Feuerwehr feierte.

Meister des schlechten Geschmacks
Das Unterhaltungsprogramm: ein grottenschlechtes Gesangsudo.
Liedzeilen, wie: „Mit meiner Balalaika bin ich der König auf Jamaika„.
Zwischenmoderationen á la: „Gott schütze uns vor Hagel, Sturm und Wind und Lieder, die der Hansi Hinterseer singt„.
Ungenierte Schwulenwitze, die sich immer auf „After nun“ reimten.
Niemand lachte, niemand tanzte, die meisten gähnten, die Festhalle halb leer.
Wohin war ich nur geraten?
Ist das die badische Provinz? Im Jahr 2013?